Nehmen wir mal das Beispiel Lesenlernen. Kinder lernen Buchstaben wie B und D leichter, wenn sie diese räumlich einordnen können, wenn sie wissen, wo das B gerade ist, wo es einen Buckel macht und sich biegt. Wenn Kinder im Tanz Raumerfahrungen gemacht haben, also sich mal über eine Diagonale bewegt, einen Kreis oder eine Acht getanzt haben, dann stützt sie dieses räumliche Verständnis der Buchstaben beim Lesenlernen. Außerdem unterstützt Bewegung die Hirnreife.
Ich habe mal gelesen, dass Tanzen genauso wichtig ist wie Mathe, weil beide sich ergänzen.
Es gibt ein gutes Sprichwort in dem Zusammenhang: Begreifen kommt von Greifen und verstehen, erfassen, folgen können, erkennen, richtig beurteilen/einschätzen können, bewusstwerden, klarwerden, deutlich/verständlich werden. Wenn ein Kind eine Sache erlebt hat, am besten mit dem ganzen Körper, fällt es dem Kind leichter, Dinge zu verstehen.
Durch Bewegung also entdecken Kinder ihre Umwelt. Können sich Kinder nicht ausreichend bewegen, kann das Auswirkungen haben auf ihre körperliche Entwicklung und ihre Gesundheit im Allgemeinen. Haben Kinder die Möglichkeit, sich genug zu bewegen, können sie ein positives Selbstwertgefühl und eine bessere Motorik entwickeln, auch wenn gewiss viele weitere Faktoren eine Rolle spielen. Dabei erlernen sie viele Dinge, was unter dem Begriff Sensomotorik zusammengefasst wird. Der Entwicklungs-psychologe Jean Piaget prägte den Begriff der „sensomotorischen Intelligenz“, die durch Musik und Spiel gefördert wird.
Es gibt inzwischen viele Studien, die sich mit dem Phänomen Tanzen und Kognition beziehungsweise Lernen beschäftigen. Elizabeth Spelke von der Harvard University zum Beispiel fand heraus, dass jahrelanges Tanzen bei Schulkindern räumliches Denken fördert. Kinder, die gern tanzen, schnitten darüber hinaus besser in Geometrie-Tests ab. Durchs Tanzen werden tatsächlich beide Gehirnhälften beansprucht, sowohl die motorische Region als auch das Sprachzentrum. Die Behauptung, Tanzen mache schlau, ist also keine Übertreibung, im Gegenteil.
Tanzen drückt außerdem Gefühle aus und fördert die Vorstellungskraft von Kindern, trägt also zu ihrer psychischen Persönlichkeitsentwicklung bei. Das gemeinsame Tanzen stärkt soziale Kompetenz und das Selbstwertgefühl. Der Dirigent Sir Simon Rattle wagte 2003 ein Experiment, „Rhythm is it“: 250 Hauptschüler probten ein Ballett, das von den Berliner Philharmonikern begleitet wurde. Kinder, die vorher noch nie klassische Musik gehört, geschweige denn zu dieser getanzt hatten, entwickelten plötzlich einen riesigen Ehrgeiz und waren äußerst diszipliniert. Einige schlugen im Anschluss an dieses Projekt einen völlig anderen Lebensweg ein als ihre Eltern. Tanzen, dieses Körper-Ausschütteln, das Entlüften des Geistes, das in so vielen Kulturen schon von klein auf zum Alltag dazugehört, sollte also bei uns noch viel mehr gefördert werden – nicht nur in einer professionellen Tanzgruppe, sondern immer und überall. Die Lebensfreude, die Bewegung den Kindern schenkt, lässt sich auch wunderbar im Spielfilm „Billy Elliot – I Will Dance“ sehen: Der kleine Billy, der eigentlich zum Boxtraining gehen soll, schleicht sich heimlich zum Ballettunterricht. Erst als seine Eltern verstehen, wie glücklich Billy der klassische Tanz macht, fangen sie langsam an, sein für Jungen immer noch unübliches Hobby zu akzeptieren.